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(Nicht passende) Strukturen und Systeme für hochbegabte Kinder




Um gemeinsames Leben zu ermöglichen hat jede Gesellschaft ihre eigenen Strukturen und Systeme entwickelt. Diese Strukturen machen in der Regel Sinn, denn sie passen für die Mehrzahl der Bevölkerung und ermöglichen ein geregeltes und gleichzeitiges freiheitliches Zusammenleben. An diesen Strukturen, die auch unsere gesellschaftlichen Werte widerspiegeln, orientieren wir uns von Kind auf. Familie, Kindergarten, Schule, Arbeitswelt, Glaubensgemeinschaften, Freizeitangebote, Riten und Rituale - überall finden wir gewachsene Strukturen, die sich irgendwann aus Gegebenheiten heraus entwickelt haben oder, weil Bedarf war, entwickelt worden sind.


Wir sind so daran gewöhnt von Strukturen und Systemen umgeben zu sein und in ihnen zu leben, dass wir gar nicht merken, wie sie uns und unser Leben im positiven als auch im negativen Sinn prägen. Funktionierende Systeme sind systemimmanent und quasi unsichtbar. Erst die Nichtpassung lässt eine Struktur sichtbar werden - ohne die Nichtpassung wären wir systemblind.


Die Nichtpassung ist der Moment, der uns aufweckt, der uns zwingt uns mit dem System auseinanderzusetzen und über Systemveränderungen nachzudenken. So ist die Nichtpassung der Auslöser und die Triebfeder für Veränderung und Fortschritt.


Da Anpassung und Veränderungen eines Systems kurzfristig gesehen mehr Energie braucht als die Aufrechterhaltung der Struktur, ist der Mensch geneigt, lieber die Nichtpassung zu entfernen als das System zu ändern. Das ist jedoch kurzfristig gedacht, denn eine Nichtpassung kann sich zu einem größeren Problem entwicklen, dessen Folgen unabsehbar sind.


Überträgt man diese theoretischen Gedanken auf die schulische Situation von hochbegabten Kindern, so bleibt man nicht umhin festzustellen, dass sie nicht ins System passen. Ihren Bedürfnissen nach Lernen, Entwicklung und sozialer Einbindung wird die Schule im Allgemeinen nicht gerecht. Das System der Schulpflicht und Klassenbildung nach Lebensalter der Schülerinnen und Schüler zwingt sie in eine für sie nicht passende Lernumgebungen und stellt Kinder und Eltern als auch das Lehrpersonal vor große Herausforderungen, die negativen Stress für alle Beteiligten hervorrufen. Dauerhafte Nichtpassung muss erkannt und behoben werden, denn Kinder, die täglich Nichtpassung erleben, haben ein erhöhtes Risiko psychosomatisch zu erkranken. Pädagogische Maßnahmen wie Enrichment und Acceleration, die vom guten Willen und der Bereitschaft einzelner Personen zum Einsatz kommen können, müssen jedoch für jedes einzelne Kind neu erkämpft werden und sind nur bedingt befriedigend, denn die Nichtpassung wird zusätzlich um die Facette einer erhöhten Aufmerksamkeit aller Beteiligten ergänzt. Die Systemverantwortlichen im Bereich Bildung erkennen die Chance nicht, die in diesen Kindern liegt, sich mit unserem Bildungsansatz und unserer Pädagogik auseinanderzusetzen und entsprechende Veränderungen herbeizuführen, um Bildung für die Zukunft nachhaltig auszurichten. Durch Einzelmaßnahmen wird mit viel Aufwand für den Einzelnen das System aufrecht erhalten und es stellt sich die Frage, was dadurch langfristig für jede einzelne Schülerin und jeden einzelnen Schüler als auch für die Gesellschaft erreicht wird.


Neben dem erhöhten Risiko psychosomatische Erkrankungen zu erleiden ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass diese Schülerinnen und Schüler ihre Begabungen nicht zur vollen Entfaltung bringen können und im weiteren Verlauf nicht passende gesellschaftliche Aufgaben übernehmen und Arbeitsplätze einnehmen, an den sie ihr Potential nicht entsprechend einbringen können. D.h. der Gesellschaft gehen langfristig Ressourcen verloren, die für die Gestaltung der Zukunft maßgeblich sind. Aus hochbegabten Mädchen und Jungen, werden hochbegabte Frauen und Männer - sie sind

  • Visionäre, die in der Zukunft zu Hause sind

  • Innovatorinnen und Innovatoren, die Neues denken und Altes neu denken können

  • Analytikerinnen und Analytiker, die (nicht nur mathematisch) hochkomplexe Systeme durchdringen und analysieren

  • Philosophinnen und Philosophen, Geistes- und Naturwissenschaftlerinnen und -wissenschaflter, die die Welt mit ihren Fragen durchdringen.

  • Linguisten und Mathematiker

  • Theoretiker aber auch Praktiker

  • Idealisten und Werteverfechter

  • hochsensible Menschen, die Missstände erkennen, bevor andere sie auch nur ahnen

  • hochkreative Erfinderinnen und Erfinder

  • und noch vieles mehr

Um ihr Potential gesellschaftlich nicht zu verschenken und für jede Einzelne und jeden Einzelnen ein Leben entsprechen der Persönlichkeit und Begabung zu ermöglichen, ist es allerhöchste Zeit im Bezug auf Bildung systemisch neue Wege zu gehen.






P.S. Es werden explizit beide Geschlechter aufgeführt, da Intelligenz nach wie vor männlich verortet wird und wir auch einen Blick auf den weiblichen Teil der Personengruppe schärfen möchten




P.P.S. Die Nichtpassung im Schulsystem betrifft nicht nur die Hochbegabten und Hochkreativen. Auch Kinder mit ADHS, Asperger, Autismus sowie die Schülerinnen und Schüler und deren Eltern am anderen Ende der Gaußschen Normalverteilung sind davon betroffen und kämpfen täglich mit dem System.








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