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Myndun e.V. hat Fragen gestellt, es gab Antworten

Auswertung und Bericht meiner „Online-Umfrage für Myndun e.V. zur Situation hochbegabter Schüler:innen im Homeschooling im Frühjahr 2020“





Einleitung Bedingt durch den Ausbrauch des Coronavirus kam es im Frühjahr 2020 zu einer, für die Bundesrepublik Deutschland einmaligen Situation - die Schulpflicht (Schulhaus-anwesenheitspflicht – O-Ton einer Schülerin) wurde für alle Schüler:innen außer Kraft gesetzt. „Das Lernen“ wurde aus dem Schulgebäude ins familiäre Umfeld verlagert und durch die Lehrkräfte digital aus der Distanz betreut.


Diese bislang unvorstellbare Möglichkeit, dass Kinder durchgängig zu Hause lernen können, wollten wir als Myndun e.V. nutzen und wissen, wie unsere Zielgruppe hochbegabter / hochkreativer / neurointensiver Schüler:innen und ihre Familien mit der häuslichen Lernsituation zurechtkommen. Wir wollten mit der Umfrage gezielte Einblicke in den Regelschulalltag, als auch in das häusliche „Homeschooling“-Familienleben bekommen und die gemachten Erfahrungen in Bezug zur Lernsituation vor Schließung des Schulbetriebes setzen. Gleichzeitig wollten wir Aufschluss über die besonderen Bedürfnisse unserer Zielgruppe in Bezug auf schulisches Lernen erhalten, um Ideen für weiterführende schulische Lernangebote zu entwickeln und gezielte Forderungen zu formulieren. Dazu befragten wir die Schüler:innen und Eltern getrennt voneinander.


Die Umfrage wurde wie folgt untergliedert:

1. Getrennte Befragung von Eltern und Kindern im Grundschulalter und von Eltern und Jugendlichen in weiterführenden Schulen.

2. Jede dieser beiden Umfragen bestanden aus

· einem allgemeinen Teil zum Kind und dem schulischen Umfeld

· einem allgemeinen Teil zur familiären Situation und digitalen Ausstattung der Haushalte

· einem Teil zur Einschätzung der Lernsituation durch ein Elternteil

o vor dem „Lockdown – im Regelschulbetrieb

o während des „Lockdowns“ – im „Homeschooling“

· einem Teil zur Einschätzung der Lernsituation durch den Schüler / die Schülerin

o vor dem „Lockdown – im Regelschulbetrieb

o während des „Lockdowns“ – im „Homeschooling“

· Wünschen für die Zukunft


Anmerkungen zur Erhebung und Auswertung vorab

Die sehr ausführliche Umfrage ist als ein Flashlight auf die damalige besondere Situation der Schüler:innen und ihrer Familien zu sehen. Die daraus abgeleiteten Ergebnisse erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Repräsentanz für die Gruppe der hochbegabten / hochkreativen / neurointensiven Schüler:innen und doch sind aus den Antworten Tendenzen abzuleiten, die es wert sind genauer betrachtet zu werden. Und es stellt sich die Frage, wie können Schulen, Lehrkräfte und zuständige Behörden den formulierten Anliegen und Bedürfnissen, die hier offensichtlich werden, gerecht werden.


Allgemeine Auswertung

Von den 117 Antworten fielen 61 Antworten auf den Bereich Grundschule und 56 auf weiterführende Schulen. 20 % der befragten Schüler:innen besuchten eine Schule mit Hochbegabtenförderung. Die verschiedenen Erfahrungen, die rückgemeldet wurden, weisen in aller Unterschiedlichkeit und unter Rücksichtnahme auf die individuelle Situation innerhalb der Familie, sehr viele Gemeinsamkeiten auf. Während das Stresslevel für Schüler:innen als auch Familienmitglieder im Durchschnitt, auf einer Skala von 1 bis 10, um 1.5 Punkte fiel, stieg gleichzeitig die Motivation zu Lernen um einen Punkt. Auch die Qualität der Arbeit, sowie das Arbeitsverhalten der Schüler:innen verbesserte sich laut Angaben der Eltern erheblich. So fanden z.B. 41 % der Eltern von Schüler:innen weiterführender Schulen und 53 % der Eltern von Grundschüler:innen, dass sich das Arbeitsverhalten ihrer Kinder wesentlich verbessert habe.

Die Lern-Ablenkung war durch Wegfall aller außerschulischen Angebote entsprechend gering. Die durchschnittliche Ablenkung durch soziale Medien und Computerspiele lag mit 5.7, von 10 Punkten, im leicht erhöhten Mittelbereich. Immer wieder wurde angegeben, dass durch Wegfall aller schulischen und außerschulischen Aktivitäten vor allem die permanente Langeweile und Eintönigkeit der Tage zum Lernen anregte.

Auch wenn die o.g. Rückmeldungen vermeintlich klare Tendenzen zeigen, ist auffallend, dass die einzelnen Antworten sich in den Extrembereichen bewegten. Während aus einem Großteil der Aussagen zu erkennen war, dass vieles besser, bis sehr viel besser geworden war, gaben doch auch sehr viele Eltern und Schüler:innen an, dass es schlechter, bis sehr viel schlechter sei. Während z.B. 41 % der Teilnehmer:innen aus der Gruppe der weiterführenden Schulen angaben, dass das Arbeitsverhalten sich verbessert bzw. stark verbessert habe, meldeten 23 % das genaue Gegenteil zurück und gaben an, dass es sich verschlechtert bzw. stark verschlechtert habe. Ähnlich ist das Ergebnis zur Frage nach der Arbeitsqualität im Homeschooling. Diese habe sich, laut der Angaben der befragten Eltern, bei 43,1 % der Schüler:innen verbessert, bzw. sehr viel verbessert. Dem gegenüber waren jedoch 11,1 % der Antworten der befragten Eltern im Bereich einer eindeutige Verschlechterung der Arbeitsqualität ihrer Kinder zu finden.

Die Umstellung auf online-Unterricht stellte für das Gros der befragten Familien kein Problem dar. Die Deckung von Endgeräten belief sich auf 100 %. Knapp 40 % der Teilnehmer:innen gaben an über 4 oder mehr Endgeräte zu verfügen. Während die Kommunikation zwischen Lehrer:innen und Grundschüler:innen vornehmlich über E-Mailkontakt verlief, wurden an den weiterführenden Schulen von Arbeiten in der Cloud bis hin zu Zoom-Meetings unterschiedlichste Tools zur Übermittlung der Lehrinhalte und zur Kommunikation eingesetzt. In der Grundschule kam bis auf „Anton“ keine nennenswerte Lernsoftware zum Einsatz. Laut Aussage einer Mutter mit zweisprachigen hochbegabten Kindern, seien die deutschsprachigen Lernprogramme den Kindern einfach zu langweilig. Sie nutzten ausschließlich Lernprogramme in ihrer zweiten Sprache. Im allgemeinen verlief die Vermittlung und Übermittlung von Lernaufgaben an die Schüler:innen ohne nennenswerte Vorkommnisse. Die online-Aufgabenstellungen waren mit 60 % für die Mehrheit der Schüler:innen verständlich und nachvollziehbar. Allerdings gaben 17 % der Schüler:innen an, mit der Aufgabenstellung gar nicht zurecht gekommen zu sein.

Im Großen und Ganzen fühlten sich die meisten Schüler:innen zu Hause sehr wohl und auch der Arbeitsaufwand des lernbegleitenden Elternteils hielt sich, mit im Durchschnitt 1,5 Stunden pro Tag, in ertragbaren Grenzen, denn das Stresslevel der Eltern fiel durch das Home-Schooling auf einer Skala von 1 bis 10 von 6.4 auf 5.1 Punkte.

Selbstbestimmtes, als auch autodidaktisches Lernen wurde durch alle Altersgruppen und Schulformen als äußerst positiv bewertet. Zeitunabhängig nach dem eigenen Tempo lernen zu dürfen, wurde als großer Gewinn angesehen. Vermisst wurden neben der Rückmeldung der Lehrer:innen von einen Teil vor allem die sozialen Kontakte, während sich die Mehrheit zu Hause jedoch weder einsam noch alleine fühlte. Dabei gaben ein Sechstel aller Schüler:innen an, dass sie keinen Freund / keine Freundin in der Schule gefunden hätten und sich nicht verstanden fühlten. 15 % der Schüler:innen der weiterführenden Schule gaben an, gar keinen online-Kontakt und 48 % nur „einen“ online-Kontakt zu Schulkamerad:innen zu haben.

Zwei Drittel aller Eltern waren der Meinung, dass ihr Kind von der Homeschooling Zeit profitierte. Ein Drittel der Eltern könnten sich Homeschooling als gute Alternative zur derzeitigen Schulanwesenheitspflicht für ihre Kinder vorstellen, die meisten Eltern würden jedoch eine Hybridlösung favorisieren.

Bei zwei Dritteln aller Schüler:innen machte sich die Hochbegabung und Hochsensibilität im schulischen Kontext bemerkbar, fand aber keine Berücksichtigung im Schulalltag. Nur 20 % der befragten Schüler:innen besuchten ein Schule mit Hochbegabtenförderung.


Fazit

Auch wenn die Umfrage mit knapp 117 Teilnehmer:innen nicht repräsentativ ist, so zeigen die Antworten Tendenzen auf, die ggfs. in weiteren Untersuchungen verifiziert werden müssten.

Nach den Erhebungsergebnissen kann folgendes vorsichtiges Fazit formuliert werden: In der Gruppe der hochbegabten Kinder haben die abrupt sich ändernden schulischen Rahmenbedingungen und Veränderungen im Außen zu positiven Veränderungen im Innern geführt. Die Daten zeigen im Vergleich von Schulbetrieb zu Homeschooling, dass die Fähigkeit hochbegabter Schüler:innen sich Lernstoff selbständig und selbstbestimmt zu erarbeiten zu einer deutlich zufriedeneren Lern-, Arbeits- und Lebenssituation für Schüler:innen und Eltern führt. Da die Leistung und Lernergebnisse nach Einschätzung der Eltern als überwiegend positiv bewertet wurden, könnte in Abhängigkeit von Alter und Lernreife hochbegabter Schüler:innen auf eine vollständige Anwesenheitspflicht in Schule verzichtet werden. Eine Hybridlösung könnte für diese Schüler:innen vorteilhaft sein.

Die detaillierte Auswertung findet ihr hier:





Für Myndun e.V. Dr. Birgit Wegerich-Bauer


 

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