Wenn Denken aus der Reihe tanzt
- Dr. Birgit Wegerich-Bauer
- 1. Nov.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 19 Stunden
Hochkreativität: Das fehlende Puzzlestück im Verständnis von Underachievement

Immanuel Kant forderte uns auf, den Mut zu haben, uns unseres eigenen Verstandes zu bedienen – „sapere aude“. Doch was bedeutet das, wenn Kinder bereits im Kindergartenalter beginnen, die Welt infrage zu stellen?
Ihre Fragen gelten als ablenkend, ihre Zweifel als Widerstand, ihre Visionen als Realitätsferne. Sie erleben, was Søren Kierkegaard das Paradox der Existenz nannte: Je authentischer sie sind, desto fremder werden sie der Welt. „Das Paradox ist die Leidenschaft des Denkens.“ Diese Leidenschaft prägt viele dieser Kinder. Sie stellen die „richtigen“ Fragen zur „falschen“ Zeit am „falschen“ Ort. Sie sind Nietzsches „freie Geister“ im Kindergartenalter, die spüren, dass Werte neu gedacht werden müssten, lange bevor sie Worte dafür haben.
Hannah Arendt beschrieb das menschliche Vermögen, „etwas Neues anzufangen“, als das vielleicht wesentlichste Merkmal des Menschseins. Jedes Kind, so Arendt, trägt das Potenzial in sich, die Welt zu erneuern. Genau darin liegt die Quelle jener Kreativität, die wir hier betrachten: Kinder, die nicht nur sehen, was ist, sondern was sein könnte – und damit das Denken herausfordern und in Bewegung bringen.
Während Arendt die Kraft des Anfangens als Hoffnung für die Welt sah, wird sie in den Klassenzimmern oft als Störung erlebt. Kinder, die diese schöpferische Energie verkörpern, gelten schnell als „zu viel“. Ihre Leidenschaft wird pathologisiert, ihre Originalität als Problem gedeutet. Dabei sind sie vielleicht die wahren Erben der Aufklärung – mit dem Mut, die Welt selbstständig zu denken.
Frei nach Goethes phänomenologischem Ansatz habe ich über Jahre hingeschaut, Muster wahrgenommen, Fragen gestellt und daraus Arbeitshypothesen entwickelt. Diese Hypothesen sind keine gesicherten Wahrheiten, sondern Versuche, das Unsichtbare sichtbar zu machen. Sie müssen über kurz oder lang durch wissenschaftliche Studien überprüft, ergänzt oder widerlegt werden.
Die Gedanken, die Sie in diesem Buch finden, entspringen meiner über zehnjährigen Beratungspraxis mit hochbegabten und hochkreativen Kindern, Jugendlichen und ihren Familien. Es sind keine wissenschaftlich abgesicherten Befunde. Wie Kant zwischen Wissen und Glauben unterschied, so müssen auch wir hier unterscheiden: zwischen Beobachtung, plausibler Deutung und empirischer Bestätigung.
Dieses Buch versteht sich daher nicht als fertige Theorie, sondern als Sammlung von „kühnen Vermutungen“ im Sinne Karl Poppers: Denkimpulse, die vielleicht neue Forschungswege öffnen und helfen, die Praxis besser zu verstehen. Wenn Sie darin Ihr Kind, sich selbst oder ihre Schüler und Schülerinnen wiedererkennen, soll es Anregung sein – nicht Diagnose.
Vielleicht sind diese Kinder die Antwort auf eine Frage, die wir noch nicht gestellt haben. Vielleicht sind sie die Denkerinnen und Denker einer Zukunft, die wir uns heute kaum vorstellen können. Dieses Buch will ein Beitrag zu dieser Diskussion sein: eine Brücke zwischen Beobachtung und Theorie, zwischen Praxis und Forschung, eine Einladung, genauer hinzuschauen – und ihre Stimmen zu hören, bevor sie verstummen.
„Wenn Denken aus der Reihe tanzt – Hochkreativität: Das fehlende Puzzlestück im Verständnis von Underachievement“ ist eine Einladung, neu hinzuschauen: auf das leise Anderssein, auf die unsichtbaren Kämpfe, auf die innere Wahrheit jener, die mehr spüren, mehr denken, mehr wollen als das, was das System zulässt.
In diesem Blogbeitrag teile ich erste Einblicke in das Buch: kurze Auszüge, kleine Denkräume, die vielleicht wecken, was lange stumm war – das Wissen um die eigene Besonderheit.
Möge das Lesen ein Wiederfinden sein. Ein (Sich-)Erkennen. Ein Beginn.
Das Buch kann entweder in einem euch vertrauten Buchladen oder bei den üblichen großen online-Händlern bestellt werden und kostet 18,90 Euro.
Einige Auszüge aus Rückmeldungen zu meinem Buch stellvertretend für ähnliche:
"Als ich den Text zu Ende gelesen habe, merke wie ich langsam etwas tun muss, ja genau: Ausatmen! Habe ich den ganzen Text über den Atem angehalten? Vielleicht. Zuzulassen etwas zu sein, was nie gesehen wurde, ist fast ein bisschen wie eine Existenzberechtigung erst im Nachhinein zu bekommen, Ich fühle und verstehe jedes Wort, bis in die letzte Zelle meines Körpers und in die unüberschaubar vielen interferierenden Dimensionen meines Denkens. Puh! Danke! "Dein Buch rettet mich nicht nur im Rückblick und gibt mir meine Würde als Mutter zurück, sondern sichert mein Existenzrecht auch in der Gegenwart im Umgang mit anderen. " Was beim Lesen stark wird, ist weniger die Frage für wen das Buch geschrieben ist, sondern was es reguliert. - Viele Erwachsenen tragen kein ungelöstes "Problem" in sich, sondern eine nie verstandene Wahrnehmung. Nicht falsch - nur früh angepasst. - Dass du den Fokus nicht auf Defizitie legst, sondern auf die biografische Logik des Denkens, schafft etwas Seltenes: Entlastung ohne Pathologisierung. Verstehen ohne Schuld. - Vielleicht ist das Buch deshalb kein Kinder- oder Erwachsenenbuch, sondern ein Übergangsbuch für Menschen, die spüren, dass ihr heutiges Empfinden eine lange Geschichte hat und endlich einen Raum braucht, in des es nicht mehr erklärt werden muss. Danke für diese Klarheit.
"Seit 40 Jahren (also seit im mit 6 in die Schule kam) weiß ich, dass ich anders bin als andere Menschen. Die größte herausforderung war es, nicht diese Anders-Sein als solches zu erkennen, sondern es zu greifen und ihm einen Namen zu geben Auf der Suche nach mir selbst habe ich zufällig Ihr Buch entdeckt. Und es liest sich in Teilen wie ein Psycholgramm meiner eigenen Geschichte. Es ist wie ein Wegweiser im Wirrwarr der Selbstfrelexion eines über-komplexen Geistes, der sich selbst in seinem eigenen Kaninchenbaus immer weiter verloren hatte. Die Puzzle-Teile waren ja alles schon lange da gewesen. Nur wer ist schon zugeich kreativ, analytisch, introvertiert, extrovertiert, sozial isoliert und hoch-empahtisch? Wie kenn es ein, das ein schlechter bis mittelmäßiger Schüler von Hochbegabten ausnahmlos für ihresgleichen gehlaten wird? Wie kann jemand mit Hauptschulniveau in der Grundschule später mühelos an einer Uni studieren?mWie kann jemand der im Instrumentalunterricht schlecht, geradezu unmusikalisch war, später mühelos Jazz improvisieren? Wie versteht jemand Dinge wie Quantenmechanik intuitiv, obwohl er keine grundlegende mathematische Modelle lesen geschweige denn nachvollziehen kann? Und vieles mehr ... Das machte keinen Sinn. Und doch spürte ich, dass es da etwas geben musste, in dem sich alles gügt, sozusagen eine vollständige Theorie von mir selbst. Ihr Buch hat mich einen großen Schritt nach vorne gebracht. diese Zusammenhänge zwischen all dem was ich bin, endlich greifbar zu machen. Vielen Dank.




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