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Kommentar zum Blog-Beitrag der Karg-Stiftung "ICH BIN EINFACH ZU BLÖD DAFÜR"




"Wie ungünstige Ursachenzuschreibungen der Begabungsentfaltung im Wege stehen"


Ich würde gerne in die Diskussion einsteigen, denn aus meiner Wahrnehmung in meiner Arbeit mit hochbegabten jüngeren Menschen, geht der Ratschlag, wie man ungünstige Attributionsmuster verändern kann, an dem Problem hochbegabter Underachiever vorbei. Denn was wäre, wenn das Problem, aus dem sich Underachievment entwickelt, nicht im Umgang mit negativen Lernerfahrungserlebnissen des hochbegabten Kindes begründet ist sondern im System? Würden wir nicht gerade wieder, diesen seelisch gebeutelten Kindern, zumuten, den Fehler bei sich zu suchen, wo doch schon die äußeren Schuldzuschreibungen Schutzmechanismen für entwicklungstraumatische Erfahrungen sind?


Underachievement entsteht in der Schule und bleibt in der Schule - denn für entsprechende Erfolgserfahrungen ist nur wenig Raum.


Ein paar Gedanken zu dem Beitrag vorab, die aus meiner Sicht grundlegend für das bestehende Problem von Underachievern sind.

Zitat aus dem Artikel: "Kommt dann im Laufe der weiterführenden Schule (oder bei manchen auch erst im Studium) der Zeitpunkt, an dem es nicht mehr ohne Lernen und Vorbereitung funktioniert, ist die Not häufig groß"


Grundschule, weiterführende Schule, Universität oder Fachhochschule - die Lehr- und Lernmethode ändert sich nicht - auch nicht im Studium! War früher die Universität ein Freihafen für eigene Gedanken, Ideen und Forschungen, so müssen sich die Studentinnen und Studenten (Dank Bologna-Reform) heute extrem eng konzipierte, vorgegebene Lehrinhalte "reinziehen" und ihren Wissenstand in einer Unzahl von Examen belegen. Konnten früher hochbegabte junge Menschen in den Universitäten aufatmen und ihren meist schon im Kinderalter begonnen Interessen im Studium (erfolgreich) nachgehen, geht heute, die für sie unpassend Lerntortur, weiter.


Interessanterweise bereitet es jenen, von Underachievement betroffen Kindern und Jugendlichen meist nur sehr wenig Schwierigkeiten sich mit sehr exotischen und komplexen Interessensgebieten erfolgreich auseinanderzusetzen und sich, zumeist autodidaktisch, ein gigantisches Wissen anzueignen.


Für mich liegt die Schlussfolgerung nahe, dass es sich um kein eigentliches Lern- und Wissensaneignungsproblem handeln kann, sondern dass das Problem woanders liegen muss.


Kein Freiraum für das eigene Andere:

Nimmt Underachievment zu oder ist es selektive Wahrnehmung?


Vorschule, Ganztagsschule, Nachhilfe und Nachmittagsprogramm, der Alltag der Kinder ist durchgetaktet und durchprogrammiert. Allen Kindern und Jugendlichen bleibt schon von klein auf kaum Frei- und Rückzugsraum für eigenes. Das betrifft ganz besonders auch jene Kinder und Jugendlichen, die in der Regel besondere Interessensgebiete und Bedürfnisse haben. Sie sind durch Erzieherinnen und Erzieher oder Lehrkräfte als auch von "normalbegabten" Spielkammeradinnen und -kammeraden fremdbestimmt. Aus meiner Wahrnehmung heraus brauchen sie "Freizeit", passende Spearings-Kammeraden und Inspiration.


Des Weiteren entsteht durch die spürbare Angst der Eltern und die Erwartungshaltung des um die besondere Begabung wissenden Umfeldes für nicht "erfolgreiche" hochbegabte Schülerinnen und Schüler emotionaler Druck. Und emotionaler Druck sucht sich Ventile - Blockadehaltung, Schulverweigerung, Aggressivität, psychosomatische Symptome etc.


Das Thema Underachievment ist extrem vielschichtig und hochsensibel. Deswegen wäre ich persönlich vorsichtig Eltern oder anderen Vertrauenspersonen zu raten, hochbegabte Underachiever auf ein negatives Attributionsverhalten im Umgang mit ausbleibenden schulischen Erfolgserlebnissen hinzuweisen. Solche "Schuldzuweisungen" können, wie im ersten Kommentar schon erwähnt, retraumatisierend wirken und den Prozess, das Selbstbewusstsein hochbegabter Underachiever zu stärken, negativ beeinflussen.



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