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Denken in Möglichkeitsfeldern

These:

Hochbegabte|Hochkreative haben ein ausgeprägtes Bewusstsein für komplexeste Zusammenhänge und Bedeutungen von Wörtern. Sie denken in Möglichkeitsfeldern und nehmen die Welt als Ganzes wahr.





Wahrnehmung und Beschreibung:

Ob im schriftlichen Kontext oder der freien Rede, viele Hochbegabte|Hochkreative haben das Problem eindeutig zu formulieren und ihre Gedanken klar und logisch nachvollziehbar zu äußern. Sie verheddern sich gerne in langen Satzkonstruktionen und Argumentationsketten, springen von einer Beweisführung zur nächsten und legen sich selten ganz konkret fest. Wenn sie z.B. einen Satz oder Text schriftlich formuliert haben, stellen sie ihn gerne noch einmal um oder schreiben ihn ganz neu. Bereits Geschriebenes wird wieder entfernt, Neues hinzugefügt, gekürzt oder mitunter ganz gestrichen und in den Mülleimer geschmissen. Hochbegabte|Hochkreative sind mit ihren Texten oft extrem kritisch und selten zufrieden.


Doch woran liegt das? Ist dieses "Problem" nur auf ihren "Perfektionismus" zurückzuführen oder gibt es noch weitere Erklärungen für ihr Verhalten?



Hypothese I:

Gedanken verhalten sich wie Teilchen - sie befinden sich in Möglichkeitsfeldern. In der Quantenphysik nennt man diese Möglichkeitsfelder Superpositionen. D.h. Teilchen können sich an mehreren Orten gleichzeitig aufhalten. Erst im Moment der Beobachtung werden sie fixiert und der Betrachter legt ihren Zustand fest. Gedanken verhalten sich ähnlich - erst der Mensch, der den Gedanken formulieren möchte, legt ihn fest und gibt ihm seine Bedeutung.



Hypothese II:

Kognitiv Hochbegabte denken in komplexeren Möglichkeitsfeldern als der Durchschnitt.


Zu ihrer perfektionistischen Art, die sich auch in der Formulierung von Texten äußern kann, kommt hinzu, dass Hochbegabte|Hochkreative in komplexesten Möglichkeitsfeldern denken. Einzelne Gedanken sind in komplizierteste Gedankengeflechte eingewoben und jeder Gedanke, dem sie folgen und schließlich artikulieren, schließt in diesem Moment einen oder mehrere weitere Gedanken aus. Im Moment der Aufnahme eines Gedanken und seiner Verbalisierung stoßen zwei Prinzipien aufeinander - 1. die Komplexität der Gedanken und 2. die Linearität der Sprache. Was vorher im Gedankenfeld gleichzeitig mit anderen Gedanken verbunden war, wird durch die zeitliche Abfolge der Sprache in die Linearität gezwungen. Der einzelne Gedanke muss aus dem Gedankengeflecht extrahiert und in eine Reihenfolge gebracht werden. D.h. es muss eine Abwägung und Entscheidung getroffen werden, welche der gedanklichen Verbindungen verfolgt und welche aufgehoben werden. Um sich und seine Gedanken mitzuteilen, müssen Gedanken priorisiert, in Abschnitte zerlegt und schließlich aneinandergereiht werden. Je komplexer aber die Gedankenverbindungen sind, desto schwieriger ist dieser Prozess.



Hypothese III:

Hochbegabte|hochkreative Menschen verfügen über ein erhöhtes, natürliches Bewusstsein über die Bedeutung von Thesen und deren Zusammenhängen.


Wenn - dann - würde - könnte! Hochbegabte|Hochkreative scheinen ein ausgeprägtes Verständnis dafür zu haben, dass jedes, als allgemeingültig anerkanntes, Wissen in zeitlichen und kulturellen Kontexten verankert ist. Ihnen scheint bewusst zu sein, dass jeder Beweis ein gedanklicher Beweis ist und einst Hypothese war, der auf Grund von empirischen Messungen und Statistiken als bewiesen anerkannt ist, jedoch wiederum als Hypothesen für neuen Thesen dient. Das könnte bedeutet, dass viele Hochbegabte|Hochkreative deswegen im Konjunktiv leben und dass das "Würde" und "Könnte" ihren Gedanken, Ideen und Argumentationen zutiefst zu eigen und DIE Verbindung zwischen ihren gedanklichen Knotenpunkten ist.



Hypothese IIIA:

Aus diesen Gründen ist die Mathematik für viele Hochbegabte|Hochkreative eine wohltuende Insel im Bewusstsein der Gedankenmöglichkeiten, denn Mathematik ist eine klare Sprache, die eindeutigen Gesetzmäßigkeiten folgt.



Hypothese IV:

Hochbegabte|Hochkreative wägen die Bedeutung von Wörtern exakt ab.


Wissend um die Bedeutung eines jedes Wortes sowie wissend um die Problematik des Sender- und Empfängerproblems, wägen hochbegabte|hochkreative Menschen ihre Worte und Satzkonstruktionen sehr genau ab. Ein Wort am Ende des Satzes kann einem Satz eine andere Bedeutung geben, als wenn es mitten im Text oder am Anfang eines Satzes steht. In diesem Wissen eröffnet sich neben der Problematik um den eigentlichen Inhalt einer Textaussage ein weiteres Möglichkeitsfeld, in dem viele hochbegabte|hochkreative Menschen sehr feine Wahrnehmungen haben und Sätze und Texte mehrfach überprüfen. Auch hier ist jedes Wort wieder ein Gedankenteilchen im Bereich der Möglichkeitsfelder des Denkens.


Die perfektionistische Art und Weise Texte zu formulieren ist ein Phänomen, dass bei dieser Personengruppe oft beobachtet werden kann, es aber sicherlich nicht ausschließlich auf den "Perfektionismus" als ein Persönlichkeitsmerkmal von Hochbegabten|Hochkreativen zurückzuführen ist, sondern den komplex-verwobenen Gedankenmöglichkeitsfeldern geschuldet ist, in denen sie sich bewegen und um nicht zu viele Gedanken auszuschließen, lieben und bauen sie lange Satzkonstruktionen mit diversesten Einschüben und Nebensätzen oder legen sie aus Verzweiflung über ihre vermeintliche Unfähigkeit des Formulierens in den Papierkorb.



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